5. Mai 2020

Denkmalamt gibt Einblick

Bürger können archäologische Grabungen am Ettinghausen-Platz besichtigen

Grabung am Ettinhausen-Platz (v.r.): Oberbürgermeister Peter Feldmann, Leiterin des Denmalamtes Andrea Hampel, Planungsdezernent Mike Josef und Bürgermeister Uwe Becker bei der Vorstellung. Foto: Stadt Frankfurt

Das Denkmalamt gibt einen spannenden Einblick in die laufende archäologische Grabung auf dem Ettinghausen-Platz in Höchst.

Während sich am Montag, 4. Mai, die Frankfurter Stadtspitze um Oberbürgermeister Peter Feldmann, Bürgermeister Uwe Becker und Planungsdezernent Mike Josef sowie Leo Latasch und Marc Grünbaum vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde mit Vertretern der Presse vor Ort über die bisherigen Funde informierten, werden interessierte Bürger am Montag, 11. Mai, die Gelegenheit haben, sich bei Führungen über die Arbeiten zu informieren.
„Der Ettinghausen-Platz gehört zu den ältesten historisch und archäologisch relevanten Flächen der Höchster Altstadt“, sagte Oberbürgermeister Feldmann bei dem Ortstermin. „Denn dort sind die Fundamente zweier Synagogen, Reste der mittelalterlichen Stadtmauer sowie Funde der Porzellanmanufaktur zu erwarten. Frankfurt-jüdisches als Alltag einer unserer traditionellsten Bevölkerungsgruppen wird hier offenbar und dringt wieder ans Tageslicht. Das ist gut. Und es tut dem Selbst- und Geschichtsbewusstsein unserer Stadt gut.“
Die bei den Grabungen gewonnenen Erkenntnisse würden dem Planungsdezernenten zufolge soweit möglich und sinnvoll in die zukünftige Neugestaltung des Ettinghausen-Platzes im Rahmen des Programms „Schöneres Frankfurt“ einfließen. „Die geplante Platzgestaltung soll an die Grabungsergebnisse angepasst werden. Damit möchten wir diesem geschichtsträchtigen Ort ein angemessenes Erscheinungsbild geben. Das Denkmalamt dokumentiert hier beispielhaft die Geschichte des jüdischen Lebens und unserer gesamten Stadt. Das unterstützt uns dabei, die Erinnerung daran wachzuhalten“, erklärte Mike Josef.
„Die Geschichte Frankfurts wird durch die Ausgrabungen für alle Frankfurter nachvollziehbar. Unsere Stadt hat eine lange christlich-jüdische Tradition. Jüdisches Leben war, ist und wird immer ein wichtiger Teil der Identität des gesellschaftlichen Lebens von Frankfurt am Main sein. In Zeiten eines erstarkenden Antisemitismus ist es wichtig, die lange jüdische Geschichte im Stadtbild wieder sichtbarer zu machen und uns ihrer zu besinnen“, sagte Bürgermeister Uwe Becker, der auch Antisemitismusbeauftragter der Hessischen Landesregierung ist.
Der Ettinghausen-Platz in seiner heutigen Form ist erst im 20. Jahrhundert entstanden; namensgebend ist die jüdische Familie Ettinghausen, die 1939 die Thorarolle nach Boston/USA gerettet hat.
An dieser Stelle stand bis zur Reichspogromnacht die Höchster Synagoge, erbaut 1905. Nach deren Zerstörung wurde von 1940 bis 1942 ein Bunker errichtet mit dem vorgelagerten Platz. Unter dem Platz zeigen sich auch die Reste der Stadtmauer, die zwischen 1355 und 1432 errichtet wurde. Sie ist in Teilen erhalten. Der Mauerring hatte mehrere Türme und Tore. Im Grabungsbereich liegt der sogenannte Hinterturm.
Nachdem die jüdische Gemeinde das Areal 1798 erworben hatte, hieß er „Badstubenturm“ – ein deutlicher Hinweis, dass die aktenkundige Mikwe, das rituelle Tauchbad, darin errichtet wurde. Der Liederbach durchquert die Grabungsfläche von Norden nach Süden und speiste auch die Wassergräben der Stadtbefestigung, war aber wohl auch die Quelle der Mikwe.
Nach dem Stadtbrand 1778 wurden die Befestigungsanlagen aufgelassen und der Wassergraben teils verfüllt, teils überbaut. So erweiterte zunächst die Höchster Porzellanmanufaktur ihre Flächen nach 1778 über die Stadtgräben nach Norden; sie war 1746 als drittälteste in Europa im ehemaligen Fronhof, dann Porzellanhof, gegründet worden.
Teile des Porzellanhofgartens wurden 1798 durch die Jüdische Gemeinde erworben. 1805/1806 wurde der Hinterturm von der nassauischen Regierung der jüdischen Gemeinde zum Bau einer „Judenschule“ überlassen. Es dürfte sich hierbei um die ältere Synagoge handeln. Diese wurde 1816 abgebrochen und in gleichen Ausmaßen auf den Fundamenten wiedererrichtet. Die Grundsteinlegung des jüngsten Baus erfolgte am 16. Mai 1905, die Synagoge wurde im Grabenbereich errichtet nach Plänen des Architekten Münchhausen aus Köln und im Dezember 1905 eingeweiht.
Der Standort der Synagoge war bisher nur durch zwei Viewer erlebbar. Vielfach wurde der Wunsch geäußert nach einer anderen Platzgestaltung unter Einbeziehung der archäologischen Befunde.
Da der Ettinghausen-Platz aufgrund seiner Geschichte für viele Höchster eine besondere Bedeutung hat, wurde auch die Anregung aus der Bürgerschaft aufgenommen, den Bauzaun während der Grabungsphase zu gestalten. Hierfür wurden die Tafeln der Ausstellungen „Es geschah in aller Öffentlichkeit“ verwendet, die sich unter anderem mit der Zerstörung der Synagoge während der Reichspogromnacht am 10. November 1938 beschäftigt und die seit 2013 bereits verschiedentlich gezeigt wurde. Für die anderen Teile des Bauzauns wurde das Büro „ffj Büro für Typografie und Gestaltung“ mit einem gestalterischen Entwurf beauftragt, das seinen Sitz um die Ecke am Höchster Markt 5 hat und zum festen Stamm der Kreativen beim Höchster Designparcours gehört. Die Kosten der Bauzaungestaltung wurden aus dem Förderprogramm „Innenstadt Höchst“ getragen.
Die archäologischen Ausgrabungen am Ettinghausen-Platz haben am 7. April begonnen. Die örtliche Grabungsleitung liegt beim Denkmalamt. Interessierte Bürger erhalten am 11. Mai die Möglichkeit, nach Voranmeldung an geführten Besichtigungen in Gruppen von maximal 20 Personen der Grabungsstätte teilzunehmen. Eine namentliche Anmeldung ist erforderlich per E-Mail an denkmalamt@stadt-frankfurt.de oder unter der Telefonnummer 069/212-36199. Anmeldeschluss ist am Freitag, 8. Mai, um 12 Uhr. red

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